Heimaturlaub: Durch Wilhelmsburg zum Energiebunker
Genug vom Straßenlärm und Großstadtgewusel? Sehnsucht nach Natur, Bewegung und Erholung? Kein Problem! In unserer Serie Heimaturlaub zeigen wir euch Ausflugsziele in und um Hamburg.
Der Energiebunker in Wilhelmsburg
Die Stadt prognostiziert es seit Jahren, am Mietspiegel kann man es auch so langsam wahrnehmen: Wilhelmsburg ist der heiße Shit! Es gibt die, die das gut finden und das neue Alte entdecken wollen und es gibt die, die das blöd finden und davon sprechen, dass in Wilhelmsburg die Hipster einziehen. Wer sich ein eigenes Bild machen will, kann einfach seinen Wochenendausflug in den schönen Stadtteil auf der Elbe verlegen - ja, auf der Elbe. Genau genommen ist der viel zitierte Slogan der IBA "Komm rüber!" nämlich falsch: Wilhelmsburg wird von der Norder- und der Süderelbe begrenzt und ist damit eine der Elbinseln.
Wilhelmsburg ist authentisch und bodenständig, multikulturell und lebendig - ein Stadtteil, in dem vieles zusammen trifft. Den Charme des einstigen Arbeiter- und Hafenviertels hat es sich bewahrt: Die Industrie hat hier nach wie vor ihren Platz, nimmt sich ihren Raum. Irgendein rauchender Schornstein ist immer in Sichtweite. Dazwischen findet sich viel Grün, viel Kultur, viel Alt- und mittlerweile auch Neubau. Auch der Energiebunker ist Symbolbild für diesen Wandel. War er bis 2007 noch schwarzer Schandfleck und Mahnmal, ist binnen sechs Jahren ein ganz neues energetisches Konzept in, an und um ihn herum umgesetzt worden.
10:00 Uhr: Ankunft auf der Elbe
Der schönste Weg nach Wilhelmsburg führt über und unter die Elbe. Von den Landungsbrücken aus gibt es zwei Möglichkeiten ganz ohne S-Bahn-Stress auf die größte Elbinseln zu gelangen - so oder so ist das Hafenpanorama auf eurer Seite:
Mit dem Rad geht es in den Fahrstuhl des Alten Elbtunnels und 1,5 Kilometer unter der Elbe hindurch. Auf der anderen Seite angekommen ist der Weg in Richtung Wilhelmsburg kaum zu verfehlen und auch recht gut ausgeschildert. Ihr folgt immer der Hauptstraße an bunten Containern, großen Speditionen, Firmen und weiten Freiflächen vorbei bis zur großen Brücke, die ihr überquert. Biegt rechts ab und folgt dem Weg über das Außengitter der Brücke (Achtung, nichts für Aeroacrophobisten!), schon seid ihr in Wilhelmsburg.
Wahlweise könnt ihr - mit oder ohne Rad - auf die Fähre ausweichen. Die Fähre 73 setzte alle 20 bis 40 Minuten - je nach Tageszeit - zur Ernst-August-Schleuse über. Von den Landungsbrücken aus geht es an der Elbphilharmonie und den Industriehäfen vorbei bis zum grünen Wilhelmsburg.
12:00 Uhr: Zum Mittag in der Kaffeeklappe
Der Weg führt euch den Vogelhüttendeich entlang durch das Reiherstiegviertel, eine der beliebtesten und belebtesten Gegenden Wilhelmsburgs. Vorbei am Stübenplatz, wo samstags von 7 bis 13 Uhr Marktzeit ist, geht es in die nahegelegne Kaffeeklappe zum Mittagstisch. Zwischen Suppe, Salat und Kaffee kann Besitzer Volker euch einige spannende Geschichten über Wilhelmsburg erzählen. Das aktuelle Mittagsangebot findet ihr immer auf der Facebook-Seite.
Kaffeeklappe | Fährstraße 69 | Montag - Freitag: 08-19 Uhr, Samstag-Sonntag: 10-19 Uhr | mehr Infos
13:30 Uhr: #perfectview auf dem Energiebunker
Die Kaffeeklappe und den Energiebunker trennt nur ein Kilometer. Wer den schöneren Weg dorthin nehmen möchte, fährt nicht die Veringstraße sondern immer am Veringkanal entlang, an dem es die Honigfabrik zu entdecken gibt. Am Energiebunker angekommen, führt der erste Weg hinauf in den 8. Stock. Im Café Vju gibt es die Tickets für die Führungen durch den alten Flakbunker zu kaufen. Die Wartezeit lässt sich am besten auf der Terrasse vertreiben, von der man nicht nur einen Rundumblick auf die Insel Wilhelmsburg, sondern auch eine einmalige Aussicht zur anderen Elbseite hat.
Café Vju | Neuhörer Straße 7 | Freitag: 12-18 Uhr, Samstag - Sonntag: 10-18 Uhr | mehr Infos
14:00 Uhr: Führung durch den Energiebunker
Die Führungen durch den Energiebunker werden von dem städtischen Energieversorger Hamburg Energie durchgeführt, der mit der im Bunker gewonnenen Energie und Wärme 3.000 Haushalte in Wilhelmsburg versorgt. Der erste Teil der Führung setzt sich mit der Geschichte des alten Flakbunkers auseinander. Im 2. Weltkrieg war er einer von zwei Flakbunkern in ganz Hamburg (der andere steht auch heute noch am Heiligengeistfeld, wisst ihr ja) und bot 15.000 Menschen Sicherheit bei Fliegeralarm.
Nach dem Krieg ist das Innere des Bunkers durch die Alliierten gesprengt worden. Eine komplette Sprengung des 80.000 Tonnen Stahlbetonkolosses war wegen der damit einhergehenden großräumigen Zerstörung der anliegenden Wohnviertel undenkbar - gut so, hätten wir sonst heute keinen Energiebunker! Den Schutt beließ man bis zur Sanierung 2007 im Inneren des ehemaligen Flakbunkers. Nachdem dieser in der Umbauphase bis 2013 entfernt und erneuerbare Energiekonzepte realisiert worden waren, hat der Energiebunker von Wilhelmsburg nun eine ganz andere Aufgabe: Durch den effizienten Einsatz erneuerbarer und regionaler Energie kann gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt werden. Wie das funktioniert, lasst ihr euch am besten bei der spannenden Führung durch das Innere selbst erklären.
15:30 Uhr: Käffchen mit Aussicht
Wer sich von der Aussicht nicht so schnell loseisen kann, sollte im Café Vju zu klebrigen Torten Waterkant Kaffee kippen, der in der hauseigenen Rösterei hergestellt wird. Die sanfte Espressoröstung schmeckt schokoladig, nussig, nach Karamell mit einem Anklang von Orange. Um dem hohen Wasserverbrauch mit 140 Litern Wasser pro Kaffeetasse bei der Kaffeeherstellung entgegen zu wirken, wird Waterkant Kaffee möglichst wasserschonend hergestellt und das notwendigerweise für die Produktion verwendete Trinkwasser durch die Förderung eines Brunnen-Projektes in Uganda kompensiert.
18:00 Uhr: Abendbrot im Flutlicht
Nach so viel wissenswertem Input könnt ihr euch im Flutlicht am Stübenplatz erst einmal wieder runterfuttern. Sympathisch, unaufgeregt und familiär ist es hier. Hier kann man international essen, solide Cocktails trinken, etwas über die wahren Strukturen des Kiezes lernen und ganz nebenbei den neuesten Tratsch abfragen - und das aus erster Hand, denn der Laden wird von drei wachechten Wilhelmsburger Brüdern betrieben!
Flutlicht | Veringstraße 14 | Montag - Sonntag: 11:30-22:30 Uhr | mehr Infos
So kommt ihr hin:
Es gibt drei Möglichkeiten, um nach Alt Wilhelmsburg zu kommen, wie man den nordwestlichen Teil Wilhelmsburgs nennt. Ihr könnt euch auf euer Rad setzen und den schönen Weg durch den Alten Elbtunnel und das Industriegebiet nach Wilhelmsburg nehmen. Dauert auch "nur" 15 bis 20 Minuten. Oder ihr steigt an den Landungsbrücken auf die Fähre 73 bis zur Ernst-August-Schleuse und erkundet Wilhelmsburg von dort aus zu Fuß. Bei richtigem Schietwetter könnt ihr auch die S3 oder S31 bis Veddel nehmen und dort in die wilde 13 bis Veringstraße (Mitte) steigen.
Unbedingt einpacken:
Das Fahrrad, vielleicht etwas zu Trinken, aber vor allem die Regenjacke und den Regenschirm - in Hamburg weiß man ja nie, wann die nächste graue Wolke Wasser lässt. Wer seinen Ausflug fotografisch festhalten möchte, sollte natürlich auch an die Kamera denken.
Das kostet der Spaß:
Wer aufs Rad steigt und bis zum Energiebunker fährt, zahlt eigentlich nur 3 Euro für die Führung. Wer mit der Fähre 73 von den Landungsbrücken nach Wilhelmsburg fährt, zahlt nochmal 2,20 Euro drauf - lohnt sich aber. Beim Essen gilt, was ihr draus macht: "Müssten wir ja Zuhause auch."