Glaube, Liebe, Hamburg: Beste Freundschaft ist harte Arbeit an dir selbst

Beste Freunde, das Wichtigste auf der Welt - und das Nervigste. Der Counterpart zu deinem depressiven Ich ist meistens nicht dein Partner oder deine Partnerin, sondern dein bester Freund. Ohne diese Person wüsstest du nicht, wo du heute stehst. Doch hast du schon einmal darüber nachgedacht, was „bester Freund“ in der Realität bedeutet? Abgesehen von durchzechten Nächten, matschigen Festivalzelten und dem täglichen Kaffee beim Barista-Homie von der Ecke ist beste Freundschaft vor allem eins: sehr harte Arbeit.

Das Freundschaftsideal bewegt sich irgendwo zwischen Besäufnissen und Sätzen wie „Das erzähle ich jetzt wirklich nur dir“. Besaufen kann ich mich auch mit den 50-Jährigen in der Gardinenkneipe bei mir um die Ecke. Die freue sich sogar, wenn da ein unbedarfter junger Kerl mal fünf Astra mit ihnen runterzieht. Bleibt also dieser oft gesagte Satz, der eine Art Synonym zu bester Freundschaft darstellt.

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Das Konzept "beste Freundschaft" ist endlich

Wenn dein bester Freund sagt: „Ich kann nur mit dir darüber sprechen“, ist das nicht nur ein Vertrauensbeweis, sondern auch eine Art Drohung, die mir zwangsläufig die Luft zum Atmen abschnürt. Dessen ist man sich in dieser Situation meistens nicht bewusst, da das Problem, mit dem man sein Gegenüber nach dieser Einleitung konfrontiert, meistens ziemlich schwerwiegend ist.

„Ich bin immer für dich da, egal was ist“ - das „Ich liebe dich“ der besten Freunde bringt das gleiche Problem mit sich wie das romantische Pendant: wird dieser Satz etliche Male ausgesprochen, ist er wertlos. Ähnlich wie ein „Ich liebe dich“ zur Lüge wird, wenn die Beziehung vor ihrem Ende steht, kann das freundschaftliche Pendant an Relevanz verlieren. Was bringt es, wenn ich immer für dich da bin, du aber aus deinen Fehlern nicht lernst?

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Über innere Abgründe und Verzweiflung zu sprechen ist sehr wichtig

Von besonders guten Freunden erwartet man, dass sie einem die Wahrheit sagen – anders als Arbeitskollegen oder die Teamkameraden aus der Handballmannschaft. Deren Probleme tangieren dich ja auch eher peripher. Es kann unfassbar befreiend sein, wenn man sich das Herz freimacht, indem man über innere Abgründe und Verzweiflung sprechen kann - und das ist sehr wichtig.

Ein bester Freund hört zu, sonst wäre er eben nur ein Freund, der auch mal auf’s Handy blickt, während du von deiner neuen großen Liebe sprichst. Doch was bringen die besten Ratschläge, ins Gesicht geklatschte Wahrheiten oder ein kurz ausgesprochenes „Tut mir leid für dich Mann, willst du eine von meinen Kippen?“, wenn du selbst nichts änderst? Wenn alles, was man sich in den stundenlangen Gesprächen am Küchentisch deiner WG aushirnt, im großen Nichts deines Selbstmitleids verschwindet, kann dir niemand helfen.

Die Kombination aus exklusiver Freundschaft und Halsstarrigkeit kann auch die besten Freunde auseinander bringen. Ab einem gewissen Punkt wird aus Mitleid Verantwortung und aus Verantwortung Belastung. Dann müssen Kaffe-Dates, Gin-Abende und Festival-Matsch all das aufwiegen, was die beste Freundschaft an den anderen Tagen sehr belastet - und das geht nicht lange gut.

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"Fehler machen dich stärker“ ist eine Halbwahrheit

Der Einzige, der dir wirklich helfen kann, bist du selbst. Niemand und damit meine ich keine einzige Person auf diesem Planeten, kann dich davor bewahren deine Fehler zum zehnten Mal zu begehen. Also erwarte nicht, dass dein bester Kumpel dich, nachdem du zum neunten Mal von der gleichen Frau sitzen gelassen wirst, nochmal in den Arm nimmt und „Alles wird gut“ sagt. Selbst wenn er es doch sagt, dann meint er damit nämlich eigentlich: „Alter, komm klar, ich hab dir schon beim dritten Mal gesagt, dass du sie ziehen lassen musst.“

Die Floskel „Fehler machen dich stärker“ ist eine Halbwahrheit. Sie sollten heißen „Fehler machen dich stärker, wenn du draus lernst“. Wenn du also das nächste Mal deinem besten Freund anrufst, und ihm lallend von deiner verflossenen Liebe erzählst, die du gerade eben gebumst hast, dann sollte dir bewusst sein, dass es das letzte Mal sein könnte, dass du wirklich Verständnis dafür erhältst.

Der nächste Anruf geht vielleicht ins Leere. Spätestens dann bist du dazu gezwungen dich deinen Problemen selbst zu stellen und sie nicht schon wieder auf deinen besten Freund abzuwälzen. Denn der ist dann nur noch ein Kumpel, der gerade besseres zu tun hat.

 

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Fotos: © Titelbild: Lady May Pamintuan flickr/CC BY-ND 2.0  

Bild 1: regenmond flickr/CC Bild 

Bild 2: couchgag911 flickr/CC BY-SA 2.0

Bild 3: Colville-Andersen flickr/CC BY 2.0

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