11 Dinge, die man als Wiener in Hamburg nicht versteht
1. In Hamburg heißt der Mann Junge
Ja, es stimmt leider. Den Mann, der einen richtig verwöhnen kann, den sucht man als Wienerin in Hamburg vergebens. Da kann leider auch der größte Radius auf Tinder nicht weiterhelfen, denn „Grandioso“, „Bergzwerg“ oder „Felix“ befinden sich eben ganze 1000 km südlich – in den Vitrinen der Wiener Großbäckerei „Der Mann“.
Sieht man über die etwas dubiose Namensgebung mancher Brotsorten hinweg, ist „Der Mann“ solide Anlaufstelle für ausgehungerte Stadtmenschen auf dem Weg in ihre prekären Berufe. Und die Hamburger? Die zeigen sich von so viel Reife völlig unbeeindruckt und ziehen deutlich jüngere Semester vor. In Hamburg besorgt man es sich beim Toyboy unter den Brotmachern: der Bäckerei „Junge“. Und das schon seit 1898.
2. Die Brötchen-Frage
Die Namen der Bäckereien sind das eine, die Namen der Brötchen das andere. Der barocke Wiener liebt Wein, Weib und Gebäck und huldigt letzterem, indem er jede Backvariation bei einem anderen Namen nennt. Etwa Vintschgerl, Kornspitz, Mohnflesserl, halleluja, es gibt so viele!
Als Wiener in einer Hamburger Bäckerei blutet einem das Herz, weil fast alles irgendwie gleich heißt. Denn der pragmatische Hamburger hat für gebackenes Beiwerk offensichtlich sehr wenig übrig. 1 Brötchen ist 1 Brötchen. 1 Semmel ist 1 normales Brötchen. Und 1 Brötchen mit Körnern ist 1 Körnerbrötchen.
3. Einen Sprachkurs für Straßennamen, bitte.
Wer als Wiener in der Hamburger Grillparzerstraße wohnt (Grillparzer = quasi österreichischer Nationalheld), hat gerade noch mal Glück gehabt. Alle weniger begünstigten Zugezogenen sollten sich besser gleich Visitenkarten drucken lassen, um beim ersten Date nicht schon bei der Eisbrecherfrage nach der Wohnadresse alles falsch zu machen. Schlump, Rothenbaumchaussee, Poelchaukamp –diese Straßennamen machen dem Wiener das Leben in Hamburg nicht leicht. Und wie spricht man diese U3-Station aus? Barmbeek? Baambeck? Es heißt Barmbeck, stupid.
4. Lauf, Hamburger, lauf!
Der Wiener ist, ja, von Natur aus ein faules Wesen und wirft sich nur in's Laufdress, wenn der mediale Schönheitswahn und das Body Shaming wieder einmal aus dem Ruder laufen. Als aufgeklärter Zeitgenosse weiß er offenbar, dass auf Instagram nicht alles echt ist und man das Leben genießen sollte, so lange noch kein Rauchverbot in Wiener Kneipen herrscht.
Ganz im Gegensatz zum Hamburger, der ein veritabler Lauf-Aficionado ist und die Alster quasi beim täglichen Weg zum Bäcker umrundet. Stadtpark, Elbe, Außenalster - Hamburg ist Laufstadt und wer Hamburg besser verstehen will, sollte die Stadt in Sportschuhen erkunden.
5. "Lass schnacken!" - Ähh, nein? Ich bin mit meinem Freund hier.
Eine Zeit lang habe ich nicht gewusst, was die Leute meinen, wenn sie „Lass schnacken!“ sagen. Wahrscheinlich habe ich dann leicht irritiert geschaut oder (noch schlimmer) irgendwie verständig genickt – zur Verteidigung meines österreichischen Ichs muss man wissen, dass der Wiener mit dem Wort „schnacken“ entweder „schnackseln“ (koitieren) oder „Schnackerl“ (Schluckauf) assoziiert. Ganz falsch. Was dem Österreicher sein „tratschen“ ist, ist dem Norddeutschen sein „schnacken“. Also, Wiener, wenn jemand zu dir „Lass schnacken“ sagt, dann will er mit dir gemütlich plaudern. Was linguistisch auch noch funktioniert: „beschnacken“ statt bereden oder „Klönschnack“ statt „entspannte Unterhaltung“, oder zu Österreichisch: Tratscherl.
6. Weniger ist mehr
An diesen Hochsommer-Augusttagen, an denen man beim Verlassen der Wohnung zur Sicherheit seinen Wintermantel überwirft und einen dicken Wollschal um den Hals bindet, kann man sich das ja kaum vorstellen: Sonnenstrahlen in Hamburg. Es gibt sie aber - selbst in der noblen Hansestadt. Während die Wiener meist an jeder Wetterlage etwas auszusetzen haben (zu heiß, zu kalt, zu windig), feiern die Hamburger ihr Kaiserwetter (oder so etwas ähnliches) gebührlich.
Das heißt konkret: Sie schlüpfen schon bei den ersten Vorfrühlingssonnenboten in Shorts und T-Shirt und lassen die Jacke zuhause - hat ja bereits solide 17 Grad. Machen die Nachbarn in Dänemark übrigens genau gleich. Und ja, sorry, das Wetter ist hier immer so.
7. Radfahren, wie ging das doch gleich nochmal?
Sei ehrlich zu dir. Radln in Wien ist vielleicht am Donaukanal oder Wienfluss geil. An vielen anderen Orten Wiens ist die Fortbewegung auf zwei Rädern ein mitunter traumatisierender und vor allem gefährlicher Kampf gegen Straßenbahnschienen, Autofahrer und Einbahnen. In Hamburg hingegen macht Radfahren auf den rot-gepflasterten Wegen sogar Spaß und ist eine easy Methode, um schnell von A nach B zu kommen.
8. Einstieg vorne
Klingt für wienerische Ohren sehr umständlich, ist in der Praxis aber relativ simpel: Wer in einen Bus des Hamburger Verkehrsverbundes einsteigt, macht das ganz vorne und zeigt dabei auch gleich pflichtgetreu die Fahrkarte. Gut zu wissen: Die Regelung gilt nicht für die Buslinien 4, 5 und 6 (außer an Sonn- und Feiertagen und nach 21 Uhr).
9. Der Kiosk
Hand aufs Herz: Welcher noch so auf Entschleunigung bedachte Wiener wünscht sich nicht insgeheim manchmal ein paar mehr Geschäfte, die auch des nächstens noch auf haben, um gekühltes Bier, Milch oder eine lebensrettende Packung Erdbeereis zu kaufen? Sicher, in Wien gibt es auch die omnipräsenten Würstel-, Kebab-, und viel zu viele von diesen schrecklichen Asia-Nudel-Ständen, die einen (letztere nur bei äußerster Not, bitte) mit Fastfood versorgen.
Der Hamburger Kiosk aber, der ist anders. An Sonntagen ist er wichtige Anlaufstelle, um der Leere im Kühlschrank entgegenzuwirken. In der Nacht ist er unabdingliche Bier- und/oder Matequelle und an Wochentagen ist er sowieso da – als Nahversorger, verlängertes Wohnzimmer und Generationen übergreifender (wichtig!) Treffpunkt.
10. Vorgärten
Während man in Wien Straßen mit grünen Vorgärten an einer Hand abzählen kann (etwa, fun fact, die Vorgartenstraße im 2. Wiener Bezirk), prägen diese kleinen grünen Oasen das gesamte Stadtbild der nordischen Perle. Da kann es auch durchaus vorkommen, dass man vor lauter Bäumen keine Häuser mehr sieht.
11. Kartoffeln, why not?
Warum Quinoa, Coleslaw oder Yuka-Pommes essen, wenn es auch einfacher geht? Man muss nicht jeden Hype mitmachen. Man muss auch einmal auf sich selbst hören. Sich spüren. Will dein Körper wirklich andauernd low-carb essen? Nein. Brauchst du die adidas Gazelle wirklich in allen Pastelltönen? Nein. Mach es wie die deutsche Küche und beschränke dich auf das Wesentliche: die Kartoffel.
Nach dem Essen hast du dann endlich wieder mal etwas Energie, um deinen begehbaren Kleiderschrank auszumisten und deine verschollen geglaubten Lieblingsteile zu entdecken. Bist du kein Veganer, kannst du die Salzkartoffel auch zusätzlich mit Leberkäse, Rinderroulade oder Gulasch verfeinern. Als Wiener in Hamburg kann man derart dubiose Gerichte à la Schnitzel mit absurden Wurzeln (warum?) und Salzkartoffeln wirklich nicht verstehen. Aber man sollte zumindest wissen, dass Kartoffeln extrem wichtig sind.