Genital Warriors - dieser Hamburg-Film ist so verrückt wie seine Entstehungsgeschichte
Ja, okay, es geht auch bei "Die Geschlechtskriegerinnen - The Genital Warriors" natürlich - mal wieder - um die Liebe. Soweit, so altbekannt. Aber dieses Mal nicht auf so eine schnulzige, durchgekaute Art und Weise. Sondern mehr mit einer gesunden Portion Ironie und Irrsinn. Halt so Zimt und Zucker meets Wodka und Kalaschnikow. Zudem spielt der Film in der schönsten Stadt der Welt: Richtig, in Hamburg - Yeah!!
Und darum geht’s ungefähr: Zwei 70-jährige Frauen wollen ihren Ex-Lover aus dem Weg schaffen. Die Damen begegnen sich auf einer Parkbank und erkennen ihr gemeinsames (Un)Glück, denselben Mann geliebt zu haben... Realität, Wunschtraum oder doch ein Drehbuch, geschrieben von Ex-Lover Frank, der in einer Psychiatrie sitzt?
Der 85-minütige Episoden-Film vom Hamburger Regisseur und Drehbuchautor Matthew Way ist nicht nur eine herrlich schwarze Komödie über Liebeskummer und den Sinn des Lebens, er ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an Hamburg, das selbst Eingeborenen Schmetterlinge im Bauch beschert. Ein Jahrzehnt(!) Arbeit hat der Film geschluckt, um seit dieser Woche kann man den Film in über 100 Ländern online kaufen - mit Untertiteln in über 19 Sprachen!
Wir haben uns mit Matthew am Altonaer Balkon getroffen und geplaudert - über Trennungsschmerz, Filmzitate und arabische Untertitel.
Hi Matthew. Zehn Jahre für einen Film. Ganz schönes Langzeitprojekt! War das eine bewusste Entscheidung oder aus Versehen?
(lacht) Das war keine Absicht. Hätten wir Filmförderung erhalten, wären wir bestimmt eher fertig geworden. So musste ich immer sparen, bis ich wieder genug Geld für ein Teilstück des Films zusammen hatte und mir dann wieder eine Crew suchen – und zum Teil auch neue Schauspieler für dieselbe Rolle. Wobei das im Nachhinein einen tollen Effekt hat, auf den ich vielleicht nicht gekommen wäre, wenn ich alles an einem Stück hätte drehen können. Was den Film noch aufwändiger gemacht hat, ist die Tatsache, dass wir unterschiedliche Filmtechniken benutzt haben. Das Ganze am Ende sinnvoll und stimmig zusammen zufügen, war verdammt kompliziert.
Das merkt man dem Film nicht an...
Der Film ist das, was an Gutem übrig geblieben ist. Ursprünglich waren 130 Minuten geplant. Am Ende haben wir viel gekürzt. Im Film haben wir immer wieder Schätze verborgen, also kleine Details und Scherze.
Alle neun Monate haben wir so rund zehn Minuten gedreht, also hatten wir genügend Zeit, uns Dinge auszudenken.
Letztes Jahr lief der Film erstmals im Kino. Seit dieser Woche kann man „The Genital Warriors“ in über 100 Ländern online kaufen. Dafür hast du den Film in über 19 Sprachen untertitelt – ganz schön gewaltig!
Mit iTunes, Amazon und Google Play gibt es kaum noch Grenzen, einen Film zu vertreiben. Statt nur Kino und DVD gibt es diese ganzen Online-Dienste. Da ich mein Lebensunterhalt mit meiner Filmübersetzungsfirma WayFilmTranslation.com bestreite, weiß ich, wie wichtig Untertitel sind, um einen Film weltweit zeigen zu können. Alle meine Übersetzer haben sich hier nochmal richtig ins Zeug gelegt, um alle Sprachen anbieten zu können, die mein Vertrieb haben wollte.
Das wären...?
Wir decken ganz Europa ab, von Polen bis Portugal. Dann noch Israel, Japan und Russland. Allerdings haben wir keine arabischen Untertitel. Das bereue ich ein bisschen. Aber dort können wir den Film nicht gut verkaufen, meint mein Vertrieb. Obwohl die Webseite viele arabische Menschen besuchen. Vielleicht liegt es an dem Titel.
Und China?
Nein, da wird zu viel geklaut.
Dennoch habt ihr den Film nicht wirklich beworben oder? Ich konnte kaum was finden.
Das ist eine schwierige Sache. Für so einen Film Aufmerksamkeit zu bekommen, ist wahnsinnig schwierig. Einige in der Branche sagen, man müsse genauso viel für Promotion ausgeben wie für den Film selber. Das Geld hatten wir nicht. Mittlerweile verdiene ich zwar mehr als noch vor zehn Jahren, aber das Zweifache der Filmproduktionskosten kann ich trotzdem nicht ausgeben.
Wobei der Film mit 150 000 Euro low budget ist.
Stimmt, das ist nicht viel für einen Film. Je nachdem, mit wem man das vergleicht. Man kann auch mit 2.000 Euro einen Film fertig stellen. Aber in unserem Fall hatten wir einfach sehr hohe Ansprüche an die Qualität, das hat man ja schon auf den Leinwänden der Kinosäle in Berlin, Hamburg, Finnland oder Moskau gesehen. In einer Woche fangen Screenings in New York City an.
Wie waren denn bislang die Reaktionen?
Wahnsinnig positiv.
Ich habe aber das Gefühl, dass die Hamburger den Film am besten verstanden haben.
Vielleicht, weil die Zuschauer eher die Hintergründe kannten und somit wussten, worauf sie sich einlassen.
Vielleicht auch weil Hamburger filmtechnisch astrein gebildet sind?
(lacht) Ja, oder das. Wobei die Zuschauer im Norden oft so zurückhaltend und ruhig sind. Auch während unserer Vorführung. Aber am Ende war die Stimmung euphorisch, das war echt geil.
Im Film tauchen acht Genres auf. Ich probier’s mal: Action, Krimi, Komödie, Fantasy, Erotik, Thriller... Ähm – was noch?
Ja, das kommt dem schon ganz nah. Wir haben zum Beispiel Slapstick ausprobiert à la Kuchenschlacht. Oder auch Schwarz-Weiß-Sequenzen und rückwärts laufende Aufnahmen aus der Nouvelle Vague-Ecke. Die Filmzitate hinter den Szenen sind zahlreich.
Insgesamt ist es eine große Persiflage. Bist du genervt? Woher kommt der schwarze Humor?
Hm. Dahinter steckt schon eine Verzweiflung. Darüber, dass das Leben keinen Sinn macht oder dass man sich emotional sträubt. Und man sich im Nachhinein über einiges lustig macht. Diese satirische Drehweise ist eine klare Wahl. Jede Figur hat eine andere Facette und jedes Genre erlaubt eine andere Herangehensweise. Es geht aber auch um ernste Thematiken, um Trennung, Beziehungen und den Kampf damit.
Und um Hamburg! Wir sitzen hier auf der Parkbank, auf der sich auch Barbara und Lena treffen. Warum hier?
Ich wollte einen Ort, der diese Einsamkeit auf wunderbare Weise einbettet. Der Ort hier ist ideal, hier sieht man oft einsame Menschen auf die Elbe blicken.
Der ganze Film spielt in Hamburg...
... ja, eine klare Liebeserklärung an die Stadt. Hier fühlte ich mich einfach total wohl.
Zum Drehen ist es super. Hamburg ist kleiner und irgendwie privater als etwa Berlin. Hier kann man gut Filmteams formen, die Leute sind näher beisammen, man verliert sich nicht so schnell.
Dabei bist du in Philadelphia geboren und hast dort angefangen Biochemie, zu studieren. Wie kam der plötzliche Sinneswandel für Thema und Stadt?
Ich wollte Arzt werden. In den Kursen habe ich angefangen, mir fantastische Geschichten auszudenken.
Irgendwann dachte ich, vielleicht folgt man besser dem Gehirn und der Leidenschaft. Also habe ich „Neuen Deutschen Film“ studiert und war ein Semester in Berlin. Von Hamburg hatte ich immer so viel Gutes gehört, da wollte ich auch mal hin.
Auf deiner Webseite schreibst du, die Trennung deiner Ex-Freundin habe dich zu diesem Film inspiriert. Wie hat sie auf den Film reagiert?
Ah ja, ich schreib ihr nächste Woche eine Email. (lacht) Ich habe sie seit 14 Jahren nicht gesprochen. Mit der Entwicklung der Story habe ich damals versucht, mit dem Trennungsschmerz umzugehen. Hinter dem Film steckt die Frage, ob man in 40 Jahren einen geliebten Menschen vergessen kann, meine junge Verzweiflung. Das ist im Grunde eine absurde Frage.
Aber eine sehr menschliche, finde ich. Frank ist ein Mann voller innerer Konflikte. Bist du Frank?
Ein Stück weit schon. Ich sehe mich als der Anwalt meiner Figuren. Sprich: Ich muss mich in jede Figur hineinversetzen können und sie mögen. Von mir steckt mehr in Frank als in den anderen. Aber die Protagonisten und meine Helden im Film sind die beiden Frauen, die Frank so sehr liebt. Sie sind quasi ein Konglomerat meiner Liebesbeziehungen.
Drei Wörter, die deinen Film am besten beschreiben?
Surreal, Dreieckkonstellation, Beziehungsverhalten...
Und drei Dinge, die der Film nicht verspricht?
Eine dramatische Erzählform - sie ist eher episch-, einen einzigen Protagonisten, Einfältigkeit.
Ich bin ja eher old school mit DVD und so.
DVD und Blueray kommt dann eine Woche später, pünktlich zu Weihnachten.
Du sitzt bereits an deinem Nächsten Film „The 3rd Rail“, worum geht es da?
Das wird ein dramatisches, seriöses Werk. Es geht um Rassismus und Jugendliche. Somit kann ich einen ganz anderen Weg einschlagen als diesen absurd komödiantischen. Der Film wird eher in der Größenordnung von 2,5 Millionen Euro sein und in Amerika und Deutschland spielen. Ich bin sehr gespannt!