11 Gründe, warum du im nächsten Jahr das Tauron Nowa Muzyka Festival besuchen solltest

© Radoslaw Kazmierczak

Es muss nicht immer Glitzer, Staub und Sonnenuntergangsromantik sein: ich habe mich nämlich im polnischen Katowice bei der zehnten Ausgabe des Tauron Nowa Muzyka Festivals vergnügt. Warum das eine gute Entscheidung war?! Hier sind 11 Gründe:

1. Das Drumherum

Wer die Einlasskontrolle des Tauron Nowa Muzyka passiert, ahnt schnell, warum dieses Festival bereits mehrfach als „Best Small European Festival“ ausgezeichnet worden ist: Der Ort des Geschehens ist nämlich ein stillgelegtes Kohlebergwerk, optisch also irgendwas zwischen Industrieruine und Expo-Gelände. Zu den Spielorten gehören neben zwei Zeltbühnen, einer kleinen Open Air Bühne und einem Amphitheater (!) auch eine imposante Indoor-Mainstage in einem hypermodernen Kongresszentrum sowie der Konzertsaal des Polish National Radio Symphony Orchestra, wo in diesem Jahr Sascha Ring a.k.a. Apparat mit der Uraufführung von „Soundtracks Live“ den furiosen Auftakt gegeben hat. Eltern können ihre Kids außerdem beim Junior Art Festival zwischenparken, wo sich die Kleinen kreativ austoben können und von kompetenten Menschen bespaßt werden. Zelten kann man natürlich auch, kann man aber auch genauso gut bleiben lassen. Denn aufgrund der Tatsache, dass das Festivalgelände von Hotels umringt ist, ist es einfach naheliegend, sich eines der günstigen (trockenen und warmen) Zimmer zu nehmen. Und wer neben dem Festivalgelände auch ein bisschen was von der Stadt sehen möchte, nimmt einfach an einer der geführten Touren teil, die ebenfalls von den Veranstaltern angeboten werden. Fast ein bisschen wie ein All-Inclusive-Urlaub – nur in cool.

Radoslaw Kazmierczak

2. Das Line-up

Dass dieses Festival preisgekrönt ist, liegt mit Sicherheit nicht nur an der außergewöhnlichen Location, sondern auch an dem durchweg fantastischen Line-up. Die Bookingmenschen haben nämlich einen unglaublich guten Radar dafür, was in Sachen Elektro, Hip Hop und (Erwachsenen-)Pop gerade der heiße Scheiß ist. Apparat, Kate Tempest, Ghostpoet, Nils Frahm, Tyler The Creator, Rhye, Kwabs, Autechre, Jamie Woon – alle waren sie in diesem Jahr da. (Und dann gibt es ja auch noch die zahlreichen polnischen Künstler, die man dort auf den kleinen Bühnen entdecken kann.) Noch eine Schippe draufgelegt haben die Booker übrigens mit dem DJ-Programm: Vor den Zeltbühnen konnte man sich nämlich zu den Sets von Ellen Alien, DJ Koze, Die Vögel oder Robag Wruhme die Schuhsohlen durchtanzen. Neben den German Techno Allstars war außerdem der Großmeister des Detroit Techno Mr. Jeff Mills am Start. Ich fasse mir vor Fassungslosigkeit noch immer an den Kopf!

Tauron Nowa Muzyka Festival MitVergnügen Hamburg 02 Katharina Grabowski

3. The Beautiful People

Auf dem Tauron Nowa Muzyka fällt eines schnell auf: Die Menschen dort sind außerordentlich schön. Fast scheint es so, als würde zu diesem Festival die gesamte Hipster- und Blogger-Elite des Landes anreisen. Alle gut gekleidet, alle ziemlich erwachsen und niemand will sich die Zeit mit Schlammbaden oder Trichtersaufen vertreiben. Hier haben alle Bock auf Musik. Das merkt man spätestens um 1 Uhr, wenn vor der Bühne der Red Bull Music Academy Hunderte von Leuten zum Set von Die Vögel komplett freidrehen und ein mittleres Erdbeben auslösen. Soviel Ekstase findet man auf deutschen Festivals selten. Wirklich wahr.

Radoslaw Kazmierczak

4. Verstehst du mich? – Nein, zum Glück nicht! 

Bock auf Festival, Bands und Bier, aber keine Lust, ständig dem Dummgelaber betrunkener Festivalmenschen ausgesetzt zu sein, die beim Auftritt deines Lieblingsacts genau hinter/neben  dir stehen? Dann gibt es nur eine Lösung: Besuche dringend ein ausländisches Festival! Am besten in einem Land, in dem sich die Sprache nicht mit Englisch- , Spanisch- oder Lateinkenntnissen erschließen lässt. Wenn du also keiner slawischen Sprache mächtig bist, dann erwartet dich in Polen eine angenehme Geräuschkulisse aus Zischlauten und rollenden ERRRRRs, die dich in einen wohligen Soundteppich hüllt und dir stets ein angenehmes Hintergrundrauschen ist. So lassen sich auch eventuelle Anflüge von Festivalmisanthropie bestens aushalten.

Katharina Grabowski

5. Kasza, Pierogi und Żurek in der Milchbar

Beim kulinarischen Angebot wagt das Tauron Nowa Muzyka keine Experimente und bietet die bewährte Fusionsküche, wie man sie auch von heimischen Outdoor Events kennt. Die hippe Bio-Burgerbraterei ist hier ebenso vertreten wie der Falafel- oder Baguette-Foodtruck. Aber dazwischen finden sich auch Festivalexoten (Sushi, WTF?) und erfreulich viele lokale Läden, die polnisches Signature Food wie Fleisch, Suppen aus Buchweizengrütze oder irgendwas mit Kohl anbieten. Pflichtprogramm sind natürlich Pierogi, die gefüllten Teigtaschen, von denen dich eine kleine Portion (ertränkt in einem Meer aus Zwiebeln und Schinken) mindestens für fünf Stunden angenehm sättigt bzw. dir fünf Stunden schwer im Magen liegt. Je nachdem. Wer die Landesküche aber wirklich kennenlernen möchte, besucht einfach eine Bar mleczny, zu deutsch: Milchbar. Wurden hier zu sozialistischen Zeiten überwiegend Getränke und Milchspeisen verkauft, sind sie heute noch immer beliebter Treffpunkt der städtischen Bevölkerung. Im unprätentiösen Kantinenambiente bekommt man hier Gerichte der traditionellen polnischen Küche für ein paar Zloty. Voll gut!

Tauron Nowa Muzyka Festival MitVergnügen Hamburg 04 Katharina Grabowski

6. Sparfuchs Heaven

Und damit wären wir auch schon bei den Preisen. Hat man sich erstmal daran gewöhnt, die Preisangabe in Zloty durch den Faktor vier zu teilen, kommt der in Euro zahlende Mitteleuropäer aus dem Staunen gar nicht mehr raus (Was? Bier im 0,4l-Becher für 1,50€?!). Da schlüpft man als Besucher also gerne mal in seine Spendierhosen, denn hey: Was kostet die Welt?! In Polen zum Glück nicht so viel. Und im Vergleich zu den Festivalpreisen ist der alltägliche Einkauf natürlich nochmal um einiges günstiger. Auch die Anreise im Bus (ab Berlin für etwa 25€) oder die Übernachtung im Hotel (eine Nacht im Doppelzimmer kostet hier im Schnitt um die 60€) sind erschwinglich. Und weil man für das Festivalticket (das Drei-Tages-Ticket gibt es für 69€) ebenfalls nicht besonders tief in die Tasche greifen muss, ist so ein Polen-Trip unbedingt empfehlenswert für alle, die gut und günstig Urlaub machen wollen.

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7 .You gotta love Ostblock-Charme

Eine Reise nach Katowice/Polen ist immer auch eine kleine Zeitreise, denn an vielen Orten sieht es immer noch aus wie in der DDR kurz nach dem Fall der Mauer. Im Kontrast zur morbiden Ostblock-Romantik stehen dagegen postmoderne Megabauten wie das UFO-Stadion (Spodek) oder das Internationale Kongresszentrum. Eine ziemlich spannende Kombination.

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8. Der Pole: schreckhaft, aber freundlich

Zugegeben: Die Verständigung ist nicht immer ganz einfach. Angequatscht wirst du oft. Meistens, weil die Leute nach dem Weg oder Feuer fragen. Doch auf die Antwort „Sorry, I don’t speak Polish“ reagieren die Polen häufig verschreckt und wenden sich reflexartig ab. Da hilft nur eins: Hartnäckig bleiben und versuchen, so schnell wie möglich zu antizipieren, was der Einheimische gesagt haben könnte. Und dann schon mal nach dem Feuerzeug greifen. Aber als Faustregel gilt: Redet ein Pole in seinem Zischlaut-Stakkato auf dich ein, ist es meist etwas Nettes, das er dir sagt. Du musst also einfach nur zurücklächeln.

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9. Jesus ist ihr Homeboy

Was? Du bist also schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten?! Dann ist eine Reise nach Katowice bzw. nach Polen deine Chance, in ihren Schoß zurückzufinden. Denn Religion bestimmt in dem erzkatholischen Land den Alltag und das Straßenbild, was gleichermaßen faszinierend wie creepy ist. Kein Dorf ohne mindestens zwei Kirchen. Und überall Konterfeis von Päpsten (in der Regel die von Johannes Paul II. versteht sich), Kreuze und Rosenkränze. Also nicht erschrecken, wenn du beim Betreten einer der Kirchen über Menschen stolperst, die in Bauchlage mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden liegen. Die wollen nur beten.

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10. Arty Party

Okay, vielen Menschen mag es egal sein, wie die Plakate und Flyer ihres Lieblingsfestivals aussehen, aber ich bin der Meinung, das Auge tanzt und trinkt mit (Wer will schon vor einer Clipart-Tapete mit schlechten Photoshop-Effekten steil gehen?!). Und so stilsicher wie die Auswahl der Künstler ist zum Glück auch die Gestaltung des Artworks vom Tauron Nowa Muzyka. Schwarz, weiß, clean. Eine wahre Wohltat fürs Auge in einem Land, das ansonsten nicht besonders positiv durch seine Straßentypografie auffällt (bunt, viel, groß, neon, Word Art). Kunst und Design sind ohnehin ein wichtiger Programmpunkt des Festivals. So gehörte in diesem Jahr unter anderem die Ausstellung „Music is my Radar“ ebenso wie das Geszeft-Zelt, in dem zahlreiche polnische Künstler und Manufakturen Klamotten, Schmuck, Taschen und Dekokram verkauft haben, zum vielfältigen Rahmenprogramm.

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11. Und wo ist jetzt der Schnaps?

Wenn die Polen eines können, dann ist das ja bekanntlich Schnaps bzw. Wodka. Schade, dass man davon auf dem Festival nicht so viel merkt. Hier gibt es lediglich drei Getränkestände, die das leckere Wässerchen anbieten – und dann noch nicht mal welches aus lokaler Herstellung. Aber was soll’s ‒ in der Not trinkt der Teufel auch finnischen Wodka. Oder schmuggelt einfach den polnischen aufs Gelände. Ähem.

Tauron Nowa Muzyka Festival MitVergnügen Hamburg 10 Katharina Grabowski

Also dann: Na zdrowie, bis zum nächsten Jahr auf dem Tauron Nowa Muzyka!

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