Glaube, Liebe, Hamburg: Frauen dieser Welt, hört auf euch zu hassen.

Hi, mein Name ist Kathrin und ich befinde mich in einem Krisengebiet. Dieses Krisengebiet wird bevölkert von Frauenzeitschriften, Plakatwänden und verzweifelten Mädchen, die sich gegenseitig auf die Oberschenkel starren. Das Krisengebiet heißt: Sommer.

Draußen gefühlt achtzigtausend Grad und ich vor dem Kleiderschrank. Da hängen viele Kleider, ein paar Shorts und Röcke. Sachen eben, die man im Sommer tragen kann. Ich stehe sehr lange vor dem Schrank. Sehr, sehr lange. Denn: Ich habe gesehen, dass die 5 Kilo mehr, die über den Winter kamen, sich an mir zu schaffen gemacht haben. Ich habe, wie vermutlich 97% der Frauen auf diesem Planeten keine perfekte, makellose Haut an Oberschenkeln, Bauch, Hüften. Die Haut sieht nicht aus wie bei einer 16-jährigen, sondern wie bei einer 29-jährigen, die nicht fünfmal die Woche Sport macht (aber sie macht welchen!) und sich von grünen Smoothies (wer zum Teufel trinkt denn Grünkohl?) und Liebe ernährt. Sowieso wäre das auch recht sinnlos, denn Cellulite, Dehnungsstreifen, all das: sind genetisch. Kannste nichts machen. Egal, wie dein BMI (ach herrje) ist: Ob du Streifen, Dellen oder Pickel hast, ist nun mal Genetik und Hormone.

Also: Warum stehe ich da eigentlich seit viel zu langer Zeit vor dem Spiegel?

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Weil ich, wie all die anderen, ständig verdränge, dass ich im Grunde weder mit Extremsport noch mit irgendwelchen Ölen oder teuren Cremes etwas an der Beschaffenheit meiner Oberschenkel ändern kann. Aber wie so viele andere Frauen GLAUBE ich das nicht so recht. Denn mir wird ja, seit ich denken kann, gesagt, dass ich nur genug rennen, hungern, kaufen muss, damit mein Körper geiler ist. Damit ich, ohne mich zu schämen, in kurzen Shorts, Röcken, Kleidchen nach draußen gehen DARF. Denn alles andere ist irgendwie „beschämend“, irgendwie sogar vielleicht frech, denn wer bin ich denn, dass ich mir rausnehme, so zu sein, wie ich nun mal bin (innen und außen) und auf den ganzen Quatsch pfeife?

Und da ist es auch schon, das kleine Monster, das quengelt: Aber der Tag wäre viel entspannter, wenn du einfach lange Hosen anziehst oder den langen Rock. Du würdest nicht ständig Angst haben, dass du hässlich aussiehst. Oder jemand denkt: Oha, die hat ja ein Selbstbewusstsein, sich SO auf die Straße zu trauen. Der Tag wäre entspannter ohne all das. Ich wäre entspannter. Weil ich mich fügen und einfügen würde in die Diktatur der Konzerne, Medienhäuser und ja, auch in die der anderen Frauen. Denn, nun greife ich vorweg: Ich habe die kürzesten Shorts angezogen, die ich finden konnte. Weil ich die mag und weil es heiß ist. Und weil mir warm und ich den ganzen Tag unterwegs war. Ich hab sie angezogen, in den Spiegel geschaut und gedacht: Fuck it, sieht gut aus.

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Mädchen müssen aufhören, andere Mädchen zu hassen

Und was passierte? Die einzigen, die an diesem Tag besonders lange auf meine Beine schauten, waren: Mädchen. Mädchen und Frauen. Sie schauten und vielleicht schauten sie auch bloß, weil die Shorts hübsch waren. Aber ich erinnerte mich an all die Male, in denen Freundinnen, Kolleginnen, Bekannten die schärfsten Worte über andere Mädchen über die Lippen gingen. Worte, die gehässig waren. Worte wie: „Alter, wenn ich so eine Figur hätte, würde ich nicht so einen Rock tragen.“ Und viele mehr.

Denn die Wahrheit ist: All das würde nicht passieren, wenn wir aufhören würden, unseren eigenen Körper zu hassen. Und noch viel wichtiger: Wenn Mädchen aufhören würden, gedankenlos so über andere Mädchen zu sprechen. Wenn sie aufhören würden, ihren eigenen Selbsthass auf andere zu projizieren. Wenn sie aufhören würden, Dinge zu sagen, wie: „Ich kann das nicht tragen, ich bin zu dick dafür.“ Und so auch nicht über andere Mädchen und Frauen sprächen.

Warum ist es eigentlich normal, sich selber zu hassen?

Und deshalb: Zieht an, was ihr wollt. Ihr seid für nichts zu dick und für nichts zu dünn (denn auch das ist so ein Thema: ein dünnes Mädchen läuft an anderen Mädchen vorüber und sie beginnen darüber zu spekulieren, wie sie sich „runterhungert“ – ohne auch nur das Geringste über das Mädchen zu wissen). Es ist Sommer, es ist warm, es sind eure Körper, die euch tragen, die euch bewegen und leben lassen. Und hört verdammt noch mal auf, euch einem Diktat zu unterwerfen, das nicht euer Bestes will, sondern euer Schlechtestes. Denn diese Industrie, diese Menschen leben von eurem Selbsthass. Damit verdienen sie schließlich ihr Geld. Vergesst das nicht, wenn ihr das nächste Mal vorm Spiegel steht und denkt, ihr „dürftet“ keine kurzen Kleider und Hosen tragen, obwohl es 30 Grad draußen sind. Ihr dürft. Aber sowas von.

Denn die Wahrheit ist: Dieses Monster sitzt nur im Kopf. Und es hat noch nie zu irgendwas geführt, außer zu Tagen in viel zu warmen Hosen und zu dem Gefühl, dass sich selber zu hassen normaler ist, als sich selber zu mögen.

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