"Ihr seid Quiddjes!" – Warum ich Städtefaschist*innen kacke finde

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Ich liebe Hamburg. Du liebst Hamburg. Wir alle lieben Hamburg.

Was allerdings nicht so klar für viele ist: dass man Hamburg auch lieben kann, wenn man nicht in der achten Generation in der Hansestadt ansässig ist. Können die, die sich selber als „echte“ Hamburg betiteln wirklich darüber urteilen, dass IHRE Stadt nicht auch die wertgeschätzte und heißgeliebte Heimat jener sein kann, die es aus dem tiefsten Saarland oder Bayern in den Norden verschlagen hat? Oder hat man, sobald man außerhalb der beinahe als heilig angesehen Stadtgrenzen geboren wurde, kein Anrecht auf die Liebe Hamburgs?

Eine Weltstadt, die keine sein will

Wir in der Redaktion sind ein gemischtes Patchwork, das aus Niedersachsen, Bayern und dem Speckgürtel stammt. Einige von uns leben seit vielen Jahren in Hamburg, einige erst seit wenigen. Genau das lieben wir an uns, jeder hat Hamburg anders kennengelernt – jeder seine eigene Verbindung zur Stadt. Und genau diese Tatsache macht uns bei vielen unbeliebt. Die wohl häufigste „Beschimpfung“, die wir uns in Kommentaren und Mails anhören dürfen ist: Zugezogene.

Und das nicht, weil wir einen Tipp gegeben haben, der sich als nicht empfehlenswert entpuppt hat, sondern nur deshalb, weil wir etwas an der Stadt kritisieren. Schwächen aufzeigen. Dinge kritisch sehen. Eine andere Meinung haben. Und manchmal auch schlicht, weil wir einen Rechtschreibfehler gemacht haben.

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Ich habe Hamburg immer als offene Stadt erlebt. Sehe mich selber als Hamburgerin und nein, meine Urururgroßeltern stammen nicht aus Hamburg, ich wurde knapp vor der Stadtgrenze geboren und bin im Speckgürtel aufgewachsen. Für alle, die nicht aus Hamburg stammen, bin ich einfach Hamburgerin. Für die „echten“ Hamburger ganz klar Zugezogene.

Es ist egal, dass ich als Kleinkind Backfisch bei Daniel Wischer gefuttert habe und mit Fassbrause runtergespült habe. An verregneten Wochenenden im Museum für Kunst und Gewerbe herumgestrolcht bin. Als Knirps über den fliegenden Weihnachtsmann am Rathausmarkt gestaunt habe. Popcorn gefuttert habe im Zeise Kino. Viel zu viel getrunken habe auf dem Hamburger Berg und auf dem Nachhauseweg regelmäßig in der U1 eingeschlafen bin.

Kritik an Hamburg? Verboten.

Ich liebe Hamburg. Aber ich sehe auch Dinge, die mir nicht gefallen. Mich verschreckt die Armut und die Gewalt, die einem in vielen Stadtteilen begegnet. Niemals gehe ich an einem Samstag in die Innenstadt – zu voll und auch zu gesichtslos. Der Hauptbahnhof ist eine organisatorische Katastrophe. Und die Hafencity ist für mich grau in grau. Und, ganz ehrlich, ich finde das Schietwetter ganz oft richtig scheiße.

Und bei solchen Aussagen gibt es Personen, die zünden direkt die Fackel an, nehmen die Mistgabel in die Hand und brüllen „Zugezogene! Quiddje! Du bist keine Hamburgerin, das gehört dazu! Hau doch dahin ab, wo du herkommst!“

Übertriebener Stolz auf die eigene Stadt wird zum Argument. Das Argument wird zur Beleidigung und schadet damit vor allem: Dem Image der Stadt und ihren Bewohner*innen.

Für mich sind solche „waschechten Hamburger*innen“ Menschen, die gerne ausgrenzen. Beinahe faschistische Züge haben, niemanden von außerhalb in die Stadt lassen wollen und sich als edle Ritter, die "ihr Hamburg" verteidigen, inszenieren. Sie lassen keine Diskussion zu und machen eine weltoffene Stadt weniger liebenswert. 

Weltstadt will man ja sein, aber die Welt kann dann auch wieder gehen

Denn wenn ich nicht sagen darf was mich stört, dann ist meine Beziehung gestört. Wie bei jeder anderen Freundschaft oder Beziehung: die Liebe hat es auszuhalten, dass man Dinge anders sieht. Wer also pöbelt und beleidigt, wenn eine andere Meinung geäußert wird – der liebt nicht richtig.

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