Investition gegen Institution: Letzte Chance für den Schanzenhof?
Und täglich grüßt das Murmeltier: Schon wieder steht eine Institution der alternativen Szene in Hamburg vor dem Aus. In akuter Bedrohung befindet sich diesmal das Projekt Schanzenhof, das seit nunmehr 25 Jahren eine der wichtigen sozialen und kulturellen Inseln in dieser Stadt ist. Den meisten Mieterinnen und Mietern wurde zum 31. März 2016 gekündigt. Betroffen sind das alternative Hotel Schanzenstern samt Bio-Restaurant, die Drogenhilfeeinrichtung Palette e.V., die Kulturetage mit Musikerinnen und dem „Atelier für Musik und Bewegung“ sowie der Boxclub Epeios, der bereits zum 1. Januar seine Räume verlassen musste.
Was bisher geschehen ist
1990 kaufte die Stadt Hamburg die alte Füllfederhalter-Fabrik von Montblanc und saniert sie, um Räume für Initiativen, Vereine, soziale, kulturelle und bildungspolitische Einrichtungen und kleine Betriebe zu schaffen und das Areal neu zu beleben. Der weit zurückliegende Ausgangspunkt für das momentane Dramas findet sich dann im Jahr 2006, als der CDU-Senat den Gebäudekomplex privatisierte. Eigentümer wurde zunächst die Deutsche Immobilien Chancen-Gruppe (Kaufpreis ca. 3,5 Millionen Euro), knapp zwei Jahre später erwarben der dänischen Immobilienspekulanten Bent Jensen und seinen deutschen Kompagnon Mario Stephan die Schanzenhöfe (Kaufpreis ca. sieben Millionen Euro). Aktueller Besitzer sind seit Juni 2013 die von den Brüdern Max und Moritz Schommartz (Kaufpreis ca. 8,5 Millionen Euro), deren HWS Immobilien und Vermögensverwaltung GmbH das Gebäude verwaltet.
Mit dem Auslaufen der meisten Mietverträge ergriff die HWS die Gelegenheit beim Schopfe und kündigte eine Mieterhöhung an ‒ statt 8,50 Euro soll der Quadratmeter in Zukunft 14 Euro kosten. Wer sich dadurch nicht vertreiben ließ, wie die Drogenberatungsstelle Palette, wo substituierte Drogenabhängige betreut werden und Hilfestellung im Alltag erhalten, bei dem landete im August 2015 eine Kündigung im Briefkasten - ausgenommen das Programmkino 3001, da es noch bis 2021 eine Mietpreisbindung hat, sowie die Volkshochschule, die der größte Mieter im Schanzenhof ist.
Wie es danach weitergeht, bleibt ungewiss. Besonders merkwürdig in dieser ganzen Angelegenheit ist jedoch die Kündigung des Schanzenstern-Hotels mit dem angeschlossenen Bio-Restaurant, denn die Betreiber Gunhild Abigt und Hermann Oberth seien sich nach eigener Aussage nach Verhandlungen bereits mit der HWS über die neuen Konditionen des Mietvertrags einig gewesen.
Aus Schanzenstern wird Pyjama Park Hotel
Mit der Bekanntgabe, dass die Verträge der Schanzenhof-Mieter auslaufen, standen selbstverständlich sofort andere Interessenten auf der Matte. Zu ihnen gehört der Unternehmer Stephan Behrmann, der in Hamburg bereits das Pyjama Park Hotel & Hostel auf der Reeperbahn und das Fritz im Pyjama Hotel in der Schanzenstraße betreibt. Er hatte der HWS Ende 2013 ein Konzept vorgelegt, wonach er den Schanzenstern auf ähnliche Weise umgestalten wollte, wie er es bereits zuvor mit der Immobilie auf der Reeperbahn getan hatte. Die HWS wollte dieses Angebot prüfen, doch im gesamten Jahr 2014 gab es von Seiten der HWS keine Rückmeldung und die Verhandlungen lagen somit erstmal brach. Laut Behrmann kam es erst Ende 2015 zur Vertragsunterzeichnung, weil es nach Aussage der Eigentümer keine Einigung mit den Betreibern des Schanzensterns gegeben hätte.
Diese wiederum fühlten sich übergangen, da diese bereits ab 2013 mit der HWS in Verhandlungen über den neuen Mietvertrag standen und den veränderten Konditionen bereits zugestimmt hatten.
Als die Betreiber des Schanzensterns dann auf die neuen Vertragsentwürfe warteten, kündigte sich Stephan Behrmann samt Architekt, Mitarbeitern und Hauseigentümern für einen Besichtigungstermin im Schanzenstern an. Bei diesem Aufeinandertreffen machte Gunhild Abigt nochmal deutlich, dass sie den Schanzenstern auch weiterhin in diesem Räumen betreiben will und bereits Verhandlungen geführt wurden. Anfang August 2015 erhielt sie dann überraschend die Kündigung von der HWS, was einen dementsprechend schweren Schock auslöste.
Verhärtete Fronten
Der Vorwurf der Mieterinnen und Mieter des Schanzenhofs: Behrmann habe sich, obwohl er wusste, dass die Betreiber des Schanzensterns in ihren Räumen bleiben möchten, sich in Konkurrenz zu ihnen beworben, ohne sie vorher in irgendeiner Weise zu kontaktieren, um sie über sein Vorhaben zu informieren. Dieser wiederum verteidigt seine Vorgehensweise als rechtmäßig. Mit seinem Angebot an die HSW wollte er sich den Schanzenstern keineswegs heuschreckenmäßig einverleiben. Im Gegenteil: Bei all seinen Vorhaben würde er stets auf eine hohe Sozialverträglichkeit achten und die vorherrschenden Gegebenheiten berücksichtigen. Schließlich fühle er sich dem Viertel verbunden, was auch in seinem Engagement für zahlreiche soziale Projekte deutlich werde.
Schön und gut, sagt da die Schanzenstern-Crew und versteht trotzdem nicht, warum Stephan Behrmann nie das persönliche Gespräch gesucht hat, unter (guten) Nachbarn sei das immerhin eine Selbstverständlichkeit. Und hätte er wirklich ein so großes soziales Gewissen, wie er behauptet, dann würde er sich nicht an der Zerlegung des Schanzenhof-Projektes beteiligen, das immerhin seit 25 Jahren seinen festen Platz im Schanzenviertel hat. Behrmanns Reaktion darauf: Wenn er sich dort nicht einmieten würde, dann käme eben jemand anderes.
Zur Erinnerung: Bereits im Jahr 2010 gab es einen ähnlichen Fall, als sich die damaligen Betreiber des Haus 73 am Wettbewerb um das Gebäude des Stadtteiltreffs Centro Sociale in der Sternstraße beteiligten. Diese wussten, dass sich das Centro Sociale ebenfalls beworben hatte, um weiter in dem Gebäude bleiben zu können. Letzten Endes zog das Haus 73 seine Bewerbung zurück und das Centro konnte in der Sternstraße bleiben. Eine Geschichte, von der sich die Aktivistinnen und Aktivisten der Schanzenhof-Initiative (schanzenhof.info) wünschen würden, dass sie sich nochmal wiederholen möge.
Infoveranstaltung im Jesus Center
Was die Unterstützerinnen und Unterstützer nun fordern, ist der Rückkauf des Areals durch die Stadt sowie die Rücknahme aller Kündigungen und bezahlbare Mieten. Es geht hierbei nicht nur um den Konflikt Behrmann vs. Schanzenstern, sondern natürlich auch darum, dass nicht noch eine alternative Institution durch Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse dem Erdboden gleichgemacht wird. Das Aus des Schanzenhofs in seiner jetzigen Form würde nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen und bezahlbarem Wohn- und Arbeitsraum bedeuten, sondern auch viele Menschen ihrer alltäglichen Strukturen berauben. Besonders betroffen sind vor allem die Klienten der Drogenhilfe Palette e.V., die in der Bartelsstraße eine feste Anlaufstelle haben. Hier erhalten sie kompetente Betreuung und Hilfe, hier haben viele ihren Lebensmittelpunkt und einige von ihnen sogar Jobs.
Ob sich das Ruder jetzt noch rumreißen lässt, ist fraglich, doch die Mieterinnen und Mieter des Schanzenhofs geben sich noch nicht geschlagen. Auf einer Info- und Mobilisierungsveranstaltung wollen sie am 25. Februar nochmal ihre letzten Kräfte bündeln, bisherige Aktionen rekapitulieren und neue in Angriff nehmen. Treffpunkt ist im Jesus Center (Schulterblatt 63) um 19:00 Uhr.