Kleine, geile Firmen: leev

„One apple a day...“ – ihr wisst schon. Wer nicht jeden Tag in den sauren Apfel beißen möchte, kann stattdessen zur Flasche greifen: leev ist sortenreiner Apfelsaft aus dem Alten Land und wurde im Oktober 2014 von Natalie, Christina und Joachim pünktlich zur Erntezeit das erste Mal abgefüllt. Während die beiden Mädels sich im Vordergrund um Vertrieb und Marketing kümmern, ist Moster Joachim für die Herstellung zuständig.

 

Komm, wir gründen ein Apfelsaft-Startup! Das klingt doch total Banane!

„Komm, wir gründen ein Apfelsaft-Startup! Das klingt doch total Banane“, dachte sich Natalie anfangs, die mit drei Startups zuvor schon „grandios gescheitert“ war. Doch in diesem Jahr hat sich die Produktion von 75.000 auf rund 150.000 Flaschen verdoppelt. Bisher gibt es die leev-Apfelsäfte in drei Sorten: säuerlicher Boskoop, süßer Elstar und Holsteiner Cox, die fruchtige Mitte zwischen beiden. Vor allem im Sommer kommt auch die leev-Schorle gut an. Und zu der sage ich nicht Nein, als ich bei Sonnenschein mit Christina und Natalie auf der Dachterrasse von Natalies WG in der Schanze sitze – denn hier in der Wohnung ist auch das kleine Büro von leev untergebracht.

Christina, Natalie, es kommen ständig neue Limos und Brausen auf den Markt. Verratet mir zu Beginn doch mal, was leev von anderen Getränken unterscheidet.

Christina: Das Besondere an unseren Apfelsäften ist, dass wir sortenrein pressen. Das sortenreine Pressen ist bei der Herstellung von Apfelsaft wenig etabliert, weil es wahnsinnig aufwendig ist. Es ist viel schwieriger, damit einen guten Geschmack hinzubekommen als bei gemischten Säften, und deswegen verwenden wir auch nur hochwertiges Tafelobst.

Jede Sorte wird separat hergestellt und das Geschmackserlebnis dabei ist so toll und besonders, dass wir das gerne in die Welt tragen wollen.

Wir möchten den Leuten zeigen, was so Spannendes im Apfelsaft, aber auch generell in der Natur hier in der Region steckt, wenn man sich ein bisschen mehr mit den Dingen beschäftigt und mit mehr Liebe daran geht. Deswegen heißen wir ja auch leev, was „Liebe“ auf Plattdeutsch bedeutet.

Das klingt eher bodenständig und nicht so, als ob ihr euch auf die Fahne geschrieben habt, das nächste hippe Szenegetränk zu werden, oder?

Natalie: Ich glaub, das ist so ein bisschen Zeitgeist. Eine Sache muss nicht mehr super ausgefallen sein, um bei den Leuten gut anzukommen. Deutschland ist Apfelsaft-Weltmeister – keine Nation trinkt mehr davon – und die meisten Menschen haben eine positive Beziehung dazu. Wenn das Gute von hier, das Vertraute sozusagen, noch besser gemacht wird, finden die Leute das auch cool. Deswegen versuchen wir schon Apfelsaft szenig und modern zu machen, aber eben nicht, indem wir auf das ganz Ausgefallene setzen.

Wann und wie ist überhaupt die Idee zu leev entstanden?

Natalie: Ich hab 2014 das Alte Land erkundet und dort in einem Hofladen sortenrein gepresste Apfelsäfte entdeckt. Davon habe ich einen Schwung an Flaschen mit nach Hause genommen und war total fasziniert von dem Geschmack und der Vielfalt. Als meine Freunde genauso darauf abgegangen sind und auch Gastronomen Interesse daran geäußert haben, hat sich langsam die Idee in meinem Kopf entwickelt:

Vielleicht ist das noch eine Nische. Vielleicht sollte ich das machen und diesen tollen Apfelsaft nach Hamburg bringen!

Und was war dann der nächste Schritt?

Natalie: Als Nächstes habe ich im Alten Land nach einem erfahrenen Moster gesucht, der das Handwerk dazu hat. Mit ein wenig Überzeugungsarbeit konnte ich Joachim dafür gewinnen. Danach hab ich meine gute Freundin Christina gefragt. Wir haben schon einige Projekte zusammen gemacht und wussten deshalb von vornherein, dass wir uns super verstehen und gut miteinander arbeiten können. Gemeinsam haben wir unsere Ersparnisse zusammengekratzt, unsere Eltern angepumpt und die ersten Paletten im Oktober 2014 abgefüllt. Im Januar 2015 sind wir dann richtig auf den Markt gegangen.

Gab es gerade in der ersten Zeit irgendwelche unangenehmen Überraschungen oder Schwierigkeiten, mit denen ihr nicht gerechnet habt? (Natalie und Christina fangen bei der Frage laut an zu lachen.)

Natalie: Viele. Zum Beispiel haben wir am Anfang lange überlegt:

Da wollten wir eigentlich eine individuelle Flasche haben. In Dänemark haben wir eine wunderschöne Flasche gefunden und ganz euphorisch eine LKW-Lieferung davon bestellt. Obwohl die Flaschen mehrwegfähig sein sollten, haben wir dann festgestellt, dass die deutschen Pfandautomaten sie nicht angenommen haben. Da standen wir dann mit einer ganzen Wagenladung Flaschen, die wir nicht zurückgeben konnten.

Und was habt ihr dann gemacht?

Natalie: Wir haben uns entschieden, die erste Lieferung als Einwegflaschen zu verkaufen, was für uns eine komplette Katastrophe war, weil es überhaupt nicht zu unseren Werten und unserer Philosophie passte. Zudem haben wir so viele negative Rückmeldungen von den Leuten bekommen, dass wir am Schluss die Reißleine gezogen und auf die herkömmliche Mehrwegflasche umgestellt haben, bevor die Lieferung aus Dänemark aufgebraucht war.

In einer großen 0,7-Liter-Flasche leev stecken fünf bis sechs Äpfel. Wer erntet die eigentlich alle?

Natalie: Zur Apfelernte im Herbst hören wir uns bei umliegenden Bauern im Alten Land um, teilweise sind das direkte Freunde von Joachim, oder aber wir fahren zur Obstgenossenschaft und holen uns dort Tafeläpfel.

Wie läuft denn so ein Produktionsvorgang ab?

Natalie: Bei der saisonalen Produktion musst du erst einmal orakeln, wie viele Flaschen du während der Saison herstellen musst. Die Apfelernte im Alten Land geht von Oktober bis Ende November. Danach werden die Äpfel eingelagert – bis Mai kannst du gute Früchte bekommen, danach ist bis Oktober nichts zu holen und du musst für den Sommer vorproduzieren.

Bei der saisonalen Produktion musst du erst einmal orakeln, wie viele Flaschen du während der Saison herstellen musst.

Bei der Herstellung werden die Äpfel zunächst gewaschen und kommen im Anschluss in eine große Presse. Eine Zentrifuge filtert aus dem Saft alles heraus, was nicht drin sein soll, bevor er kurz hocherhitzt wird, damit er länger haltbar bleibt. Danach wird er schnell in die Flasche abgefüllt und diese etikettiert. Der Großteil wird in unserem großen Lager im Alten Land aufbewahrt. In Hamburg haben wir zwei kleine Lager: Eins bei einer Spedition, die die Bestellungen von Großhändlern übernimmt, das andere Lager ist für unsere Promotion-Ware und für Kunden, die wir noch direkt mit unserem VW-Bus beliefern.

Ihr habt jetzt einigen Lesern bestimmt Lust auf euren Apfelsaft gemacht. Wo in Hamburg können wir unseren Durst mit leev stillen?

Christina: Hier in der Schanze sind wir zum Beispiel bei Herr Max, in der Katze, im Goldfischglas oder in der Bullerei vertreten. Im Handel findet man leev hauptsächlich bei Edeka. Mittlerweile sind es achtzig Läden in und um Hamburg herum. Aber auch in Hannover, Bielefeld und Bremen haben uns schon einige Geschäfte im Sortiment.

Gibt es leev auch am Kiosk?

Natalie: Nein, wir möchten bisher noch nicht am Kiosk bestehen. Das kommt vielleich irgendwann mal, aber momentan konzentrieren wir uns noch auf die gehobenere Gastronomie und den Handel.

Ein großes Thema bei euch ist das soziale Engagement. Erzählt doch mal ein bisschen was darüber.

Christina: Mit jeder verkauften leev-Flasche gehen zwei Cent an den Bienenschutz. Wir machen das zusammen mit dem Verein beesharing. Über deren Online-Netzwerk können sich Imker und Bauern untereinander austauschen. Mittlerweile sind wir Paten von vier Bienenvölkern, deren Stock hier in Hamburg direkt an der Elbe steht. Außerdem ist auf unseren Etiketten der Satz „Jede gute Kleinigkeit macht den Tag zu einem schöneren Tag“ zu lesen, den wir auch in unser Geschäft einbeziehen wollen. Zum Valentinstags haben wir deshalb für die Pfandsammler in der Stadt 250 volle Apfelsaftflaschen neben die Mülleimer gestellt, um ihnen zu zeigen, dass wir an sie denken.

Jede gute Kleinigkeit macht den Tag zu einem schöneren Tag.

Natalie: Bevor wir diese Valentinstags-Aktion gestartet haben, wollten wir zuerst wissen, wie das abläuft und welche Menschen hinter den Pfandsammlern stecken. Deshalb haben wir im Jesus Center auf dem Schulterblatt angeklopft, und dort vier Jungs kennengelernt, die total herzlich sind und einfach nur verdammt viel Pech im Leben hatten. Mit denen haben wir Interviews geführt und ihre persönlichen Geschichten erfahren. Weil uns das berührt hat, wollten wir mit den vier Pfandsammlern auch längerfristig in Kontakt bleiben und haben auf einer „Pfandtastisch“-Party mit leev 300 Euro für die Jungs gesammelt.

Zu der Valentinstagsaktion gibt es auch ein Video. Wie lassen sich für euch Charity und Imagefilm vereinbaren?

Natalie: Warum ist es ok, dass ich mit einem Unternehmn Geld verdiene und nichts Gutes tue? Warum darf man nicht Geld verdienen und gleichzeitig Menschen helfen? Wir haben bewusst versucht, unsere Marke im Film nicht so groß in den Vordergrund zu stellen, aber sie spielt natürlich eine Rolle. Das sind nicht wir als Privatpersonen, sondern die Aktion kommt von leev. Es ist das Unternehmen, das sich sagt: Wir möchten Verantwortung übernehmen.

Was dürfen wir in der Zukunft von leev erwarten? 

Natalie: Wir sind langfristig nicht auf Saft festgelegt und haben ein paar Ideen – von der Marmelade über Fruchtmus zum Müsli. Diesen Sommer haben wir außerdem beim Vogelball und beim Müssen Alle Mit Festival einen Stand und bieten dort neben Apfelsaft alkoholhaltige Longdrinks an. Auch ein paar Guerilla-Aktionen werden kommen, die vielleicht nicht unbedingt angemeldet sind, aber auf jeden Fall Spaß machen werden.

Na dann bin ich gespannt, was wir in diesem Sommer noch so alles von euch hören werden. Vielen Dank für das nette Gespräch, ihr beiden!  

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