Junge, pack die Tampons ein

Bis heute ist die monatliche Ladung Blut und Schleim, die aus der Vagina unserer Freundin, Schwester, Mutter oder Mitschülerin kommt, ein Tabu, das nur selten Thema von Männer-Gesprächen ist. Abgesehen von „Ein wahrer Pirat sticht auch ins Rote Meer“ ist da nicht viel zu holen.

Warum das so ist, hängt sicherlich mit der natürlichen Aversion von Männern gegen unangenehme Themen zusammen. Egal ob Zahnarzt, Gefühle oder ungeschminkte Details des eigenen Sexlebens - beim Cornern mit den Jungs wird lieber über den letzten Drei-Tagesausflug ins Berghain berichtet, als über ernsthafte Probleme oder unangenehme Momente des Lebens.

Antony Stanley by flickr

Wir Männer wachsen in einem Badezimmer ohne Periode auf

Die Gründe dafür zu erörtern obliegt mir nicht, ich habe schließlich nichts Themenspezifisches im Doppelmaster studiert - dennoch bin ich sicher, dass die künstlich geschaffene, sorgenfreie Erziehung eines Großteils der jungen Männer mit mittlerem bis hohem Bildungsniveau einen großen Teil dazu beträgt.

Das fängt bei begleiteten Zahnarztbesuchen an und endet beim Verstecken der Tamponpackung in Mamas Schrank unter dem Waschbecken. So wird die verborgene Tamponpackung erst dann wieder zu einem Thema, wenn man mit Mitte, Ende Zwanzig zum ersten Mal mit einer Frau zusammenzieht.

Plötzlich ist die von Mama meistens verheimlichte „Erdbeerwoche“ nicht nur Teil deines Zusammenlebens, sondern auch deines Sonntagsputzes

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Plötzlich ist die von Mama meistens verheimlichte „Erdbeerwoche“ nicht nur Teil deines Zusammenlebens, sondern auch Teil deines Sonntagsputzes. Das kann dazu führen, dass du dir bewusst wirst, wie dringend eine Frau einen Tampon nötig hat, wenn ihre Periode anfängt.

Spätestens nach dem dritten Mitternachts-Tamponshopping schaust du selbst nach, ob die Packung neben der Toilette noch gefüllt ist oder nicht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Packung mit Tampons von dir wieder in die Taubzone verfrachtet wird, in die du alles, was du an Frauen „eklig“ findest, stellst. Dort fristen sie dann neben deinen anderen dumm-infantilen Scheuklappen-Thesen ihr trauriges Dasein: Frauen kacken nur Blumen, pinkeln nur rosa Einhornkotze und stinken nie.

Wie brechen wir ein Tabu, über das keiner sprechen will?

Diese Art der Verdrängung und Verklärung beizukommen ist nicht einfach, sie ist tief im Unterleib des Patriarchats verankert. Papa spricht nicht über die Periode von Mama. Mama spricht nur im Flüsterton mit der Schwester über ihre Regel - man kennt diese Situationen.

Quinn Dombrowski by flickr

Doch wie sensibilisieren wir uns (jeden Mann ohne Menstruation) für ein Thema, das wir unser Leben lang verdrängt, übersehen oder bewusst totgeschwiegen haben? Meine frühere Deutschlehrerin würde sagen: „Wir müssen darüber sprechen“, ein Politiker würde sagen „Wir müssen uns dieses Problems annehmen“, ich sage: „Wir müssen Teil dieses Themas werden“.

Um das zu schaffen, sollten wir uns die beiden Amerikaner Chance Ward und Jose Garcia als Vorbild nehmen:

Das Instagram-Posting des 15-jährigen Jose ging durch die amerikanischen Medien und die deutsche feministische Twitter-Blase: Es zeigte ein Selfie des Jungen mit zwei abgepackten Damenbinden in der Hand. Im darunter erklärte er, dass er zu einer Petition aufrufe, die Männer dazu bringen soll, Tampons und Binden in ihren Taschen zu haben. Wo wir Männer selbst schon keine Periodenbeschwerden haben, sollten wir wenigstens so hilfsbereit sein und ohne großes Aufhebens unsere weiblichen Freunde und Bekannte unterstützen.

Ein Facebook-Posting, das ebenfalls in die gleiche Richtung schlägt, setzte Chance Ward vor etwa einem Monat ab. Darin beschrieb er die Situation, wie er einer Frau im Fitness Studio neben ihm ihre Freundin nach einem Tampon fragt, ihn peinlich berührt ansieht als sie merkt, dass er mitgehört hatte - und fast in Ohnmacht gefallen ist, als er ihr einen Tampon aus dem Rucksack reicht.

Tampon

Eine Packung Tampons im Rucksack, Jutebeutel, Sport- oder Reisetasche wäre für so ziemlich jeden, der sich ne Packung OB’s leisten kann, der leichteste Weg, sich selbst und die ganze Fußballmannschaft gleich mitzuerziehen. Der ständige physische Kontakt würde alleine schon dafür sorgen, dass die Periode nicht mehr dieses verstecke blutige Etwas ist, was jahrelanges Verdrängen aus dem Leben der Männer aus ihr gemacht haben.

Den Karma-Samariter da draußen sei jedoch gesagt: Tampons mit sich rumzutragen ist die eine Sache – Sie seiner Sitznachbarin ohne geforderte Dankesstürme und angeberisches Aufhebens unter Hand weiterzureichen, ist eine ganz andere.


Titelbild: Terry Robinson by flickr
Foto 1: Antony Stanley by flickr
Foto 2: Quinn Dombrowski by flickr

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