Neu in Hamburch: Wer ist dieser Corner und warum hängen alle bei ihm rum?

© Marius Notter

Ihr Hamburger seid geselliger als euer Ruf als grummelige, wortkarge Norddeutsche es erahnen lassen würde. Für „mit allen deinen Freunden an der Straße rumstehen und Bier trinken“ habt ihr ein eigenes Wort erfunden, so wichtig scheint ist diese sommerliche Zeitbeschäftigung für euch zu sein.

Ich verstehe das natürlich. Der Sommer ist hier im Norden nun mal kurz und wird immer wieder von grauem, tristem Nieselregen unterbrochen. Da muss man die paar lauen Sommerabende, an denen es auch noch so grandios lange hell ist, möglichst gut nutzen.

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Überraschenderweise gibt es das Phänomen, mit einem am Kiosk gekauften Bier draußen auf dem Asphalt zu sitzen, nicht nur bei euch. Sogar in Stuttgart gibt solche magischen Orte, wobei, ich will nicht lügen, es gibt genau einen. Deswegen geht man dort auch nicht cornern, sondern „palasten“. Namenspatron ist der Palast der Republik, eine Verkehrsinsel in der Stuttgarter Innenstadt, einem der wenigen Orte in der Stadt, wo es geduldet wird, dass man sein eigenes Bier mitbringt, aber ich schweife ab. Euer Cornern ist so populär, dass sich sogar die großen deutschen Zeitungen diesem Phänomen widmen.

Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal vom Kiez hoch zur Schanze lief und auf meinem Weg durch die Wohlwillstraße an den vielen Kiosken vorbeilief. Damals war fast noch Winter. „Wetten, hier gibt es ganz viel Kioskbier, wenn es denn mal warm ist, “ sagte ich zu meinem Freund - und sollte Recht behalten. Nur, dass ich damals noch nicht wusste, dass Kioskbier trinken hier Cornern heißt. Mittlerweile weiß ich, Cornern ist unter jungen und jung gebliebenen Hamburgern so etwas wie ein Volkssport.

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Nirgendwo merkt man mehr, wie klein Hamburg eigentlich ist, als beim Herumstehen an der Wohlwillstraßenkreuzung. Wie viele Bekannte und Arbeitskollegen ich dort schon getroffen habe, dabei kenne ich in Hamburg doch eigentlich noch gar nicht so viele Menschen. Außerdem kann man sich hier perfekt darüber informieren, welche Turnschuhe und welche Frisuren bald voll im Trend im sein werden.

Mein liebster Ort zum Cornern ist aber Park Fiction: Dort sitzen, Sonnebrille auf, Bier in der Hand, die Sonne geht langsam unter und man blickt ganz entspannt auf das Treiben auf dem Streetballplatz oder auf die Geschäftigkeit des niemals schlafenden Hamburger Hafens. Unter einem fließt die Elbe. Genauso habe ich mir Hamburg vorgestellt.

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Was ich am Cornern so liebe: Das Bier ist billig und alle sind gleich. Alles drängelt sich auf dem Asphalt und es ist egal, wie viel oder wenig du verdienst. Niemand hält respektvoll Abstand, keine Kellner wuseln herum und erfüllen irgendwelche Wünsche. Man muss schon selbst für sein Getränk sorgen. Und mitten im Stimmengewirr fällt mir auf, wie ordentlich ihr Hamburger eure leeren Bierflaschen in den herumstehenden Einkaufswägen schichtet, die die bestens organisierten Flaschensammler aufgestellt haben. Nur selten hört man das Geräusch von splitterndem Glas. Wahrscheinlich ist das der Reiz, den Cornern darstellt: Es ist ein bisschen rebellisch, aber nicht nervig chaotisch.

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